Fd 10 831 189.5487 Gedenkblatt 25fährigen Jubiläum 216/65 zum Kinderſchutzvereins des von deſſen Begründerin Lina Morgenſtern. Herausgegeben vom Verlage der Deutſchen Hausfrauenzeitung. S.W. Berlin, Großbeerenſtraße 5. (1894) Ex Biblio Regia Ber li. Fd 10 831 fr. Julie Gerſon⸗Liebermann. Dr. Wolff. fr. Lina Morgenſtern. geb. v. Bismarck. fr. v. Arnim⸗Kröchlendorf fr. Minna Seeger. frl. Dörr 1. Leitende Gedanken bei Gründung des Kinderſchutzvereins. Die große Sterblichkeit der Säuglinge und Kinder der armen Bevölkerung, die in ganz unverhältnißmäßiger Weiſe um ſich griff, gab der Preſſe im Jahre 1868 Veranlaſſung zu weitgehenden Nachforſchungen. Es wurde feſtgeſtellt, daß die meiſten Todesfälle auf uneheliche Geburten kamen und zwar begünſtigt und herbeigeführt durch die ſogenannte „Engelmacherei“. Arme Mädchen, die, verlaſſen von ihrem Verführer, die ganze Laſt der Lebenserhaltung für ihr Kind allein zu tragen haben und die kaum wieder körperlich erſtarkt, eine Stelle ſich ſuchen müſſen, geben ihr Kind in fremde Pflege! Haben ſie ſelbſt einen einkömmlichen Ammendienſt erlangt, ſo beſitzen ſie auch die Mittel, für das eigene Kind genügende Zahlung zu leiſten; ſind ſie jedoch für den Ammendienſt untauglich, ſo nehmen ſie die erſte beſte Stelle an, in der ſie kaum ſo viel erwerben, um ſich ſelbſtändig zu kleiden und ihre etwaigen Schulden für die Entbindung zu zahlen. Das Kind iſt ihnen ſomit eine Laſt und es finden ſich alsdann leider Frauen, die ein Geſchäft daraus machen, das arme Würmchen ſo ſchnell als möglich in's Jenſeits zu befördern oder es an ungeeigneter Nahrung und langſamem Hungertode zu Grunde gehen zu laſſen. Aber es iſt nicht nur die Not von jeher geweſen, die der „Engelmacherei“ Vorſchub leiſtete, ſondern die Furcht vor der Schande! Die Statiſtik war nie in der Lage und wird nie in der Lage ſein, nachzuweiſen, wie viele Kinder der Schande aus vornehmen, reichen Verhältniſſen der „Engelmacherei“ zugeführt werden. Tief ergriffen von den Berichten über dieſe traurigen Verhältniſſe beſchloß ich im Jahre 1868 einen Kinderſchutzverein in's Leben zu rufen, deſſen Aufgabe es ſein ſollte, der Vernachläſſigung und Verwahrloſung armer Kinder, namentlich der Neugeborenen und Säuglinge, vorzu⸗ beugen und dadurch indirekt die Moralität und den Geſundheitszuſtand des Volkes zu heben. Dies ſollte erzielt werden durch Errichtung von Pflegeſtätten in den verſchiedenen Stadtbezirken für hilfloſe Säuglinge und Kinder. Solche Anſtalten, ſollten jedoch nichts gemein haben mit einem Findelhaufe, welches die Mutter vom Kinde für immer loslöſt, ſondern ihre Fürforge und Teilnahme für ihr Kind ſollte durch materielle und moraliſche Hilfe erhalten bleiben. Ich hatte gehört, daß ſich ein Comité von Herren aus der vor⸗ nehmen Geſellſchaft gebildet habe, welches ein Findelhaus in Berlin mit Anonymität der Mutter begründen wolle und dieſes Comité habe die Königin Auguſta um Annahme des Protektorats gebeten. Um dieſe Idee in andere Bahnen zu lenken, entwarf ich den Plan zu einem Kinderſchutzverein und ſandte ihn an die Königin mit der Bitte, ihn zu prüfen und mit dem des Findelhauſes zu vergleichen. Einen Tag, nachdem meine Zuſchrift abgeſandt war, erhielt ich die Aufforderung zu einer Audienz, welche am 11. Januar 1869 ſtattfand. Huldvoll begrüßte mich die Königin mit den Worten: „Bis jetzt haben Sie mich immer in Ihren Volksküchen empfangen, es macht mir Freude, Sie bei mir willkommen zu heißen.“ Königin Auguſta nahm auf einem der rothſeidenen Lehnſtühle Platz, die längs der Wand ſtanden und lud mich auch zum Sitzen ein. Nun entſpann ſich eine dreiviertel Stunden währende, mir un⸗ vergeßliche Unterhaltung. Die Königin beſprach in eingehender Weiſe meinen Plan, dem ſie ihre vollſte Billigung ſchenkte, doch ſprach ſie die Befürchtungen aus, daß ich zu ſchwach ſein würde, um der mäch⸗ tigen Partei zu widerſtehen, welche das Findelhaus in's Werk ſetzen wolle, zu deſſen Errichtung ſchon ein Kapital vorhanden ſei. Sie wolle mein Beſtreben, ſobald es zur That würde, fördern, doch könne ſie nicht das Protektorat übernehmen, da dies Konſequenzen nach ſich ziehen würde, wonach ſie auch dem andern Plane näher treten müßte. Ich antwortete, daß es auch gar nicht in meiner Abſicht gelegen habe, die Königin um das Protektorat zu bitten, denn die erſte Frau im Staate könne ſich nicht an die Spitze eines Unternehmens ſtellen, welches noch in der Luft ſchwebe und möglicherweiſe wegen Mangel an Beteiligung ins Waſſer fallen würde. Ich aber wolle es verſuchen und hoffe auf Gelingen. Darauf ſagte die Königin ermuthigend: „Sie haben Kopf und Herz auf dem rechten Fleck, ich bin gewiß, Sie werden es richtig beginnen.“ 2. Die erſte Verſammlung und die Konſtituirung. Ermutigt ſchritt ich ſofort zur That. In den erſten Tagen des Januar 1869 erließ ich eine Einladung an mehrere Aerzte, ſo wie andere Herren und Damen, von denen ich mir thätige Teilnahme für die Idee verſprach. Zu gleicher Zeit übergab ich den Zeitungen eine redaktionelle 4 Notiz über zu gründende Kinderſchutzvereine. Nach diefer Veröffent⸗ lichung ſuchten mich drei Herren in meiner Wohnung auf, es waren Herr v. Nordenſkiöld, Herr Sanitätsrath Beer und Herr Dr. Höppner. Die Herren ſchienen hoch erfreut über meinen Plan und erklärten mir, daß ſie bereits ſeit Jahren ein Comité zur Gründung eines großen Findelhauſes bilden. Sie hätten ein großes Kapital, welches ſie mir zur Verfügung ſtellen, wenn ich darauf eingehen wollte, ſtatt des beab⸗ ſichtigten Kinderſchutzvereins, an die Spitze des Findelhauſes zu treten. Ich erklärte ihnen, daß ich gerade eine Gegnerin ſolcher großen Kinder⸗ kaſernen ſei, daß der Kinderſchutz nur in kleinen Pflegeſtätten ausgeführt werden könne, um die Gefahren für die Geſundheit der Kinder möglichſt zu beſeitigen und die Pflege individuell ausüben zu können. Ebenſo wenig billige ich die Anonymität der Mutter, da ſie das Band zwiſchen ihr und dem Kinde vollſtändig zerreiße und den Leichtſinn befördere. Dennoch hofften die Herren meine Anſichten zu bekämpfen und baten, der erſten Verſammlung in meinem Hauſe beiwohnen und auch einige Herren, die ſich für den Gegenſtand intereſſiren, einführen zu dürfen⸗ was ich ſehr gern bewilligte. Kurz vor der Verſammlung erſchien der Herr Polizei⸗Lieutenant Hoppe in meiner Wohnung mit einem Auftrag des Herrn Polizei⸗Präſidenten von Wurmb, welcher mich bitten ließ, da er ſich lebhaft für den neu zu gründenden Verein intereſſire, daß auch er zu der Verſammlung zugezogen werde. Dieſe Verſammlung fand am 23. Januar in meiner Wohnung ſtatt. Die Anweſenden, meiſt Aerzte, eine Anzahl Damen, ſowie der Herr Polizei⸗Präſident von Wurmb ſprachen ſich ſämtlich für das Bedürfniß eines ſolchen Vereins und der Pflegeſtätten für gefährdete Kinder aus. Man erwählte eine Redak⸗ tionskommiſſion für meinen Statutenentwurf. Dieſe erließ folgende Einladung: „Am 23. Januar d. J. verſammelten ſich eine Anzahl Damen und Herren in der Wohnung der Frau Lina Morgenſtern, auf deren Einladung, um einen von derſelben entworfenen Organiſationsplan zu einem Kinderſchutz⸗Verein zu prüfen, welcher zunächſt Pflege⸗ ſtätten für Säuglinge und Kinder notleidender Mütter in allen Theilen der Stadt anzulegen hätte. Der Plan fand allgemeine Zuſtimmung, Bedürfnis und Lebensfähigkeit wurden anerkannt und die Verſammlung erklärte ſich bereit, als Gründungs⸗Comité den Kinderſchutz⸗Verein ins Leben zu rufen. Eine Kommiſſion wurde gewählt, beſtehend aus: den Damen Morgenſtern, Runde, Seeger, und den Herren: Direktor J. Lehmann, von Nordenſkiöld, Dr. Croner, Dr. A. Levy, Dr. Beer, Dr. Höppner, welche das proviſoriſche Vereinsſtatut und den Organiſationsplan feſtſtellen ſollten. Nachdem 5 dieſe Kommiſſion ihre Aufgabe erfüllt hatte, übergab ſie die Schluß⸗ redaktion den vier Unterzeichneten, welche ſich hiermit beehren, Sie zu einer Verſammlung am Freitag, den 12. Februar in dem Saale der Friedrich⸗Wilhelms⸗Gewerbeſchule, Niederwallſtraße Nr. 12, Abends 8 Uhr, einzuladen, in welcher der Verein ſich konſtituiren, die entſchei⸗ dende Wahl ſeines Vorſtandes vornehmen und der beigefügte Organi⸗ ſationsplan zur freien Beſprechung und Annahme gebracht werden ſoll.“ Berlin, den 7. Februar 1869. Lina Morgenſtern. Direktor Joſeph Lehmann. Stadtgerichts⸗Rath v. Nordenſkiöld. Dr. Croner. Der Organiſationsplan lautet: A. Der Verein. § 1. Der Kinderſchutzverein hat den Zweck, der enorm großen Sterblichkeit der Säuglinge und Kinder der ärmeren Bevölkerung ent⸗ gegen zu wirken, Verwahrloſung und Vernachläſſigung durch Mangel an geeigneter Aufſicht, aus Not oder ſittlichem Elend entgegen zu arbeiten und die Moralität, wie den Geſundheitszuſtand des Volkes zu heben. § 2. Die nächſte Aufgabe des Vereins iſt die Errichtung von Pflegeſtätten in den verſchiedenen Stadtbezirken für hilfloſe Säuglinge und Kinder; doch ſollen dieſe Nichts gemein haben mit einem Findel⸗ hauſe, ſondern das Verhältniß der Mutter zum Kinde durch materielle und moraliſche Hilfe für Beide befeſtigen. § 3. Das erforderliche Kapital wird durch Sammlungen frei⸗ williger einmaliger und laufender Beiträge aufgebracht; der Betrieb der Pflegeſtätten wird zum Teil auch aus den einlaufenden Pflegegeldern gedeckt. § 4. Mitglieder des Vereins ſind alle die Männer und Frauen, welche a) fortlaufende Beiträge zahlen, b) dauernd perſönliche Hilfe in Verwaltung oder Kontrole leiſten, c) dem Vereine ein einmaliges Geſchenk von mindeſtens zehn Thalern zuwenden. § 5. a) Central⸗Vorſtand. Der Verein ſteht unter Lei⸗ tung eines Central⸗Vorſtandes und wird durch denſelben nach Außen vertreten. Der Central⸗Vorſtand organiſirt die einzelnen Anſtalten und deren Vorſtände. Er iſt verantwortlich für das Kapital wie für ein⸗ heitliche Verwaltung der Pflegeſtätten. Derſelbe beſteht aus ſechs 6 Herren und fünf Damen, welche in der Generalverſammlung durch ein⸗ fache Majorität für ein Jahr gewählt werden. Der Vorſtand verteilt die Aemter unter ſeine Mitglieder. Er läßt Bücher und Kaſſe von be⸗ ſoldeten Beamten führen. b) Lokal⸗Vorſtände und Aufſichts⸗Comités. Die Leitung der einzelnen Pflegeſtätten geſchieht durch Lokal⸗Vorſtände, welche vom Central⸗Vorſtand gewählt werden, ihre Geſchäftsordnung erhalten und ſich deſſen unmittelbarer Kontrole unterwerfen. Der Lokal⸗Vorſtand beſteht aus drei gleichberechtigten Mitgliedern, einem Verwaltungs⸗, einem ärztlichen Direktor, einer Vorſteherin und deren aus den Aufſichts⸗Comités zu wählenden Stellvertretern. Die Aufſichts⸗ Comités, deren Aufgabe die Unterſtützung des Lokal⸗Vorſtandes durch abwechſelnde tägliche Kontrole iſt, werden auf Vorſchlag des letzteren durch den Central⸗Vorſtand gebildet. Sie ſtehen unter ſpezieller Leitung des Lokal⸗Vorſtandes. c) Sämtliche Mitglieder der Vorſtände verwalten ihre Aemter unentgeltlich. § 6. Alljährlich im Monat Februar findet die ordentliche General⸗ verſammlung des Vereins ſtatt, in welcher der Central⸗Vorſtand Bericht erſtattet, demſelben Decharge erteilt und die Neuwahl vor⸗ genommen wird. Auf ſchriftlichen Antrag — unter Angabe des Zwecks. — von mindeſtens dreißig Mitgliedern iſt der Vorſtand verpflichtet, eine außer⸗ ordentliche Generalverſammlung einzuberufen. Die Mitglieder werden zu den Generalverſammlungen mindeſtens acht Tage vorher durch die Zeitungen eingeladen. § 7. Die Auflöſung des Vereins muß von ſechszig Mitgliedern ſchriftlich beantragt werden, findet aber nur dann ſtatt, wenn mindeſtens zwei Drittel der in der dazu anberaumten Generalverſammlung erſchie⸗ nenen Stimmberechtigten ihre Zuſtimmung geben. § 8. Beſoldete Beamte des Vereins ſind nicht ſtimmberechtigt. B. Die Pflegeſtätten. § 1. Die Pflegeſtätten werden dem Familienleben möglichſt an⸗ gepaßt, das Prinzip der Maſſenerziehung verworfen. § 2. Aufnahme in den Pflegeſtätten finden: a) Kinder außer dem Hauſe beſchäftigter Mütter; b) Neugeborene, deren Mütter plötzlich geſtorben ſind; c) Kinder notoriſch notleidender Mütter; d) Kinder ſolcher Mütter, deren äußere Verhältniſſe es nicht 7 geſtatten, dieſelben ohne Gefährdung für deren Leben bei ſich zu behalten. § 3. Vorläufige Bedingungen zur Aufnahme: a) die Kinder dürfen das erſte Lebensjahr nicht überſchritten haben; b) nur von anſteckenden Krankheiten freie Kinder finden Auf⸗ nahme; c) die Kinder müſſen in Berlin geboren ſein; d) die Mütter reſp. Angehörigen des Kindes müſſen ſich als ſolche glaubhaft legitimiren und ſich verpflichten, das nach ihrem Einkommen vom Vereine beſtimmte Pflegegeld praenu⸗ merando in beſtimmten Raten zu zahlen; e) die definitive Aufnahme eines Kindes kann nur durch den Lokal⸗Vorſtand erfolgen; () der Verein beabſichtigt ſowohl ſelbſt Freiſtellen zu gründen, als auch ſolche von Wohlthätern anzunehmen, um in Aus⸗ nahmefällen die Gratisaufnahme der Kinder zu ermöglichen. § 4. Die Kinder können der Pflegeſtätte entweder gänzlich über⸗ geben oder nur für die Tageszeit, und des Abends wieder ab⸗ geholt werden. § 5. Kein Kind wird über das zurückgelegte dritte Lebensjahr hinaus in den Pflegeſtätten behalten. § 6. Die Mütter reſp. die Angehörigen haben ſich den Beſtim⸗ mungen des Vereins in Betreff ihrer Kinder zu unterwerfen. § 7. Einrichtung einer Pflegeſtätte. Die Pflege⸗ ſtätten werden vorläufig in gemieteten Räumen angelegt, welche in der Regel beſtehen müſſen aus vier bis fünf Stuben, einer Küche, einem Waſchkeller, einem Boden, Kuhſtall und Garten. Das beſoldete Perſonal beſteht aus einer Inſpektorin, welche die Wirtſchaft leitet, die Bücher führt und für die innere Ordnung ver⸗ antwortlich iſt, einer Pflegemutter, welcher die Pflege und Ueberwachung der Schützlinge anvertraut wird, aus Kinderpflegerinnen, je nach der Anzahl der Kinder und einem oder zwei Dienſtboten. In jeder Pflegeſtätte können bis zu einer gewiſſen Zahl Kinder⸗ pflegerinnen unentgeltlich ausgebildet werden. § 8. Ernährung der Kinder. Dieſelbe geſchieht im All⸗ gemeinen durch Kuhmilch, jedoch ſteht es in einzelnen Fällen dem ärzt⸗ lichen Direktor frei, eine andere Ernährungsweiſe anzuordnen. — Mütter, die ihre Kinder nur für den Tag den Pflegeſtätten überlaſſen, iſt es geſtattet, dieſelben zu ſtillen. 8 von den Aerzten nicht zu kliniſchen Demonſtrationen benutzt werden. § 9. Die in den Pflegeſtätten aufgenommenen Kinder dürfen einmal die Pflegeſtätte zu beſuchen. § 10. Der ärztliche Direktor iſt verpflichtet, täglich mindeſtens Zuſatz. Der obige Organiſationsplan wurde in einer am 12. Februar 1869 von Freunden der Sache beſchickten Verſammlung als proviſoriſches Statut angenommen und der auf Grund deſſelben gewählte Vorſtand beauftragt, im Februar des Jahres 1870 einer Verſammlung der Ver⸗ einsmitglieder den Plan zu einem definitiven Statut vorzulegen. Berlin, den 1. März 1869. Der Vorſtand. Joſeph Lehmann, Eiſenbahn⸗Direktor, Vorſitzender. Frau Lina Morgenſtern, Stellvertreterin des Vorſitzenden. Theodor Nauſchning, Dr. Eroner, Schatzmeiſter. Schriftführer. Herrmann Augnſtin. Frau Dr. H. Abarbanell. Theodor Goldſchmidt. Frau v. Arnim⸗Kröchlendorf. Louis Gradenwitz. Frau Gerſon⸗Liebermann. Frau Seeger. Am 12. Februar fand die konſtituirende Verſammlung ſtatt, in welcher der Vorſtand erwählt wurde, der den Organiſationsplan als proviſoriſches Statut unterzeichnete. Der Verein erfreute ſich bald leb⸗ hafter Sympathien. Für ſeine Zwecke gingen binnen vierzehn Tagen 1000 Thaler ein. Auch die Königin wandte dauernd demſelben ihre Teilnahme zu, ließ mich verſchiedene Male zur Berichterſtattung kommen und beteiligte ſich auch mit einem anſehnlichen Beitrag; ebenſo wie die damalige Kronprinzeſſin Viktoria, ſpätere Kaiſerin Friedrich, welche dem Verein durch Fr. v. Arnim einen Beitrag überſandte. 3. Die erſte Pflegeſtätte. Nach langem vergeblichen Suchen wurde Ende März ein kleines Häuschen gefunden, Belle⸗Allianceſtr. 26, am Fuße des Kreuzberges; es lag inmitten eines großen Gartens. So konnte die erſte Pflegeſtätte Anfang April eröffnet werden. 9 Eine objektive Schilderung derſelben entnehme ich dem „Berliner Fremden⸗ und Anzeigeblatt“ vom 11. Juni 1869 aus der Feder des Journaliſten Herrn Johannes Bloch, welcher nach einem Beſuche der Pflegeſtätte folgendes wörtlich ſchreibt: „Ein ländlich ausſehendes, freundliches Haus, inmitten eines großen Gartens, mit Obſtbäumen und Schatten gebenden Laubbäumen geſchmückt, ſo präſentirt ſich die erſte Pflegeſtätte des Kinderſchutzvereins dem Kreuzberg⸗Pilger. Im Hintergrunde ziehen ſich Gemüſebeete, ſowie ein Stück Klee⸗ acker für die Anſtaltskuh hin, der ein Seitengebäude als freundlicher Stall dient. Auch an einem ſandigen Tummelplatz für die kleinen kriechenden oder laufen⸗lernenden Pfleglinge fehlt es nicht. Am frühen Vor⸗ und ſpäten Nachmittag ſtehen die Bettchen in Reih und Glied zum Lüften vor dem Hauſe aufgepflanzt. — Eine An⸗ zahl mit blauen Vorhängen verſehener Korbkinderwagen dient zum Um⸗ herfahren der Kleinſten, während die größeren Kinder' in grauen Camlot gekleidet, von den Pflegerinnen umhergetragen werden. Als ich dort war, ſah ich außer drei Kinderpflegerinnen, eine Verwalterin, der die Leitung des ganzen Hauſes obliegt; zwei Dienſtboten und ein Gärtner vervollſtändigen das Hausperſonal. Die ärztliche Aufſicht führen, als Ehrenamt, die Herren Doktoren: Eduard Croner (jetzt Geh. Rath) und Hoffmann. Täglich Vor⸗und Nachmittag krontroliren Damen und Herren des Vorſtandes die Anſtalt. Durch einen glasgedeckten Vorbau treten wir in das Haus ein, in welchem die größte Sauberkeit herrſcht. Ein Saal und ein größeres Zimmer dienen den geſunden Kindern zum Aufenthalt. Die Betten der erkrankten Kinder ſtehen in abgeſonderten Krankenzimmern. Die Bett⸗ ſtellen ſind von Eiſen, haben elaſtiſche Drahtböden nnd Seitenwandein⸗ ſätze von Holz zur Verhinderung der Zugluft. Die Matratzen ſind mit Roßhaaren gepolſtert und mit einer Gummidecke belegt. Sämmtliche Bettbezüge weiß, ebenſo die Wäſche der Kinder. Längſt der Fenſter⸗ wand ziehen ſich Tafeln hin, deren Einlagen zur Aufbewahrung von Wäſche, Waſchutenſilien u. dergl. dienen. An Schwammſtändern, die mit gezeichneten Bändern verſehen, ſind Waſchſchwämme, je 2 für jedes Kind aufgehängt. Die Saugpfropfen zu den Milchflaſchen wäſſern für jedes Kind extra in einem Porzellannäpfchen. Die Flaſchen werden ſofort nach Gebrauch in Emaillewannen zum Wäſſern gelegt und eine große Anzahl Waſchbecken ſteht zum Gebrauche bereit. Die Anſtaltsärzte, welche täglich die Anſtalt beſuchen, tragen ihre Verordnungen in Bezug auf Behandlung und Diät jedes Kindes in das ausliegende Verord⸗ nungsbuch ein. Die Aufſicht führenden Ehrendamen ſorgen für Be⸗ 10 folgung der ärztlichen Anordnungen. Eine kleine Hausapotheke enthält die gebräuchlichſten Arzneien. — Schlafſäle, Empfangsbüreau, Waſch⸗ und Badezimmer, Waſchküche, Krankenzimmer für die Kinder und das Per⸗ ſonal und alle Wirthſchaftsräume bis hinab zum Milchkeller zeigen dieſelbe Ordnung, wie die Haupträume. — Die Kleinen, welche vielleicht ſonſt in Noth und Elend verkommen wären und von denen nur ausnahmsweiſe ſolche, die krank ſind aufgenommen werden, erfreuen ſich hier einer Behandlung, mit deren Sorgſamkeit ſelbſt eine wohlhabende Mutter ſchwer konkurriren kann. Welchen Segen dieſe Pflegeſtätten ſtiften können, wenn ſie ſich erſt in größerer Zahl nach Analogie der Volksküchen über Berlin verbreitet haben werden, das zeigt nun ſchon der kleine hier gemachte Anfang. Durch die Aufnahme der 18 bisher in der Anſtalt befindlichen Pfleglinge iſt ſchon viel Elend gemildert worden. Einem Uhrmacher, dem die Frau im Wochenbett geſtorben war, wurde die Sorge um den Säugling durch den Verein abgenommen, ſo daß der Vater ſeiner Thätigkeit für die Kinder beruhigt obliegen konnte. Ebenſo wurde einem Arbeiter Hilfe, deſſen Frau ſchwerkrank in der Charité darniederlag, deſſen neugebornes Kind in der Anſtalt Aufnahme fand. Einer eheverlaſſenen Frau half der Verein zur Er⸗ werbsfähigkeit durch Aufnahme des kleinſten Kindes, während der Mutter Anſtellung in einer Volksküche verſchafft wurde. — Ein Mädchen, das im Begriff war ſich und ihrem Kinde den Tod zu geben, wurde der Verzweiflung entriſſen, indem ihr Kind in die Pflegeſtätte kam ſie ſelbſt in einen Dienſt gebracht wurde.“ — So weit der Bericht des Herrn Johannes Bloch. Denſelben günſtigen Eindruck machte die Pflegeſtätte auf Königin Auguſta und Großherzogin Luiſe von Baden, welche beide hohen Fürſtinnen die Anſtalt im Laufe des Sommers 1869 beſuchten. Man würde ſich jedoch irren, wollte man glauben, daß das Werk, welches ſo freundlich ausſah, auch ſo leicht zu führen geweſen ſei. In meiner mehr als 40 jährigen Vereinsthätigkeit habe ich ſo Trauriges nicht erlebt, wie in den Reſultaten jener Pflegeſtätte. Ich lernte dort kennen, wie ſchwer es ſei, neugeborene Kinder und Säuglinge in größerer Anzahl vereint, ſelbſt bei den beſten Maßnahmen, geſund zu erhalten, namentlich aus Verhältniſſen, wo Krankheitskeime ſich von der Geburt an zeigen. Wir hatten während des erſten Vierteljahres Fröbel'ſche Kinder⸗ pflegerinnen engagirt, denen wir unter Leitung einer älteren Verwalterin die Zöglinge anvertrauten. Wir überzeugten uns jedoch, daß dieſe jungen Mädchen der Aufgabe körperlich nicht gewachſen waren, weil ſie Nachts zu feſt ſchliefen, daß ſie auch zu wenig Erfahrung hatten. 11 Auf beſondern Wunſch des leitenden Arztes, Herrn Dr. Croner, wurde im Juli 1869 mit dem Inſtitute der „Grauen Schweſtern“ ein Ab⸗ kommen getroffen, daß dieſe die Pflege übernehmen ſollten. Es war dies jedoch ſchon aus dem Grunde ein Fehlgriff, weil die Regeln des Ordens die Schweſtern nicht beſtändig in der Anſtalt ſein ließen, dieſe vielmehr ſich alle zwölf Stunden ablöſten und die Kinder daher nie in der Hand einer Pflegerin blieben. Außer den katholiſchen Schweſtern und der evangeliſchen Ver⸗ walterin war noch eine evangeliſche Kinderfrau und auch dies führte zu Konflikten zwiſchen den Angeſtellten und Pflegerinnen. Zum Unglück trat im Hochſommer der Brechdurchfall bei den Kindern epidemiſch ein. Es begann nun eine ſehr entmutigende Zeit für die leitenden Aufſichts⸗ damen, von denen Frau Minna Seeger und ich uns täglich in der Anſtalt Vor⸗ und Nachmittag abwechſelten. Wenn wir in dieſelbe traten, wurden wir mit den Worten bewillkommt: Es iſt wieder ein Kind geſtorben, oder: Es ſind wieder mehrere Kinder geſtorben und ſtatt nun die Freude zu haben, die Kleinen zu retten, ſtarben in den Monaten Juli und Auguſt über 50 Prozent der aufgenommenen Kinder. Dieſe Epidemie veranlaßte mich, den Herrn Medizinalrath Müller und Kreisphyſikus Herrn Dr. Wolff zur Unterſuchung des Geſundheitszu⸗ ſtandes in der Anſtalt heranzuziehen, da Herr Dr. Croner verreiſt war. Dieſe Herren fanden ſämtliche Einrichtungen der Anſtalt muſterhaft, wünſchten jedoch ſofort den Austritt der bisherigen Pflegerinnen und die Wahl von Ammen, ſowie den Ankauf einer Kuh, als einzige Mög⸗ lichkeit, einen beſſeren Geſundheitszuſtand der Kinder herbeizuführen. Eine neue Verwalterin wurde engagirt, drei Ammen angenommen und eine neue Kuh gekauft. Von Stunde an verminderte ſich der Brech⸗ durchfall und die Sterblichkeit ging in den nächſten Monaten um 20 Prozent zurück, wobei zu bemerken iſt, daß viele Neugeborene ſchon mit Keimen von Krankheiten und lebensunfähig in die Anſtalt kamen. Allmählich ſank die Prozentzahl der Sterblichkeit bis auf 16. Zu dem großen Bedauern des Vorſtandes legte Herr Dr. Croner ſein Amt als Vorſtandsmitglied und leitender Arzt nieder. Der Vorſtand engagirte nun Herrn Kreisphyſikus Dr. Wolff, welcher fortan dirigirender und behandelnder Arzt blieb; ſpäter trat Herr Dr. Löwenthal als Vorſtands⸗ mitglied und Anſtaltsarzt ein. Mit Beginn des Herbſtes, als die Vorſtandsmitglieder von den Reiſen heimkamen, übernahmen auch wieder die Damen Gerſon, von Arnim, Frau Maier, Frau Rauſchning und Frau Dr. Henriette Abar⸗ banell als Aufſichtsdamen abwechſelnd mit Frau Seeger und mir die Kontrole. 12 Vor mir liegen noch die Berichte, die ich jeden Abend von der Verwalterin, Frl. Dörr erhielt, über den Geſundheitszuſtand der Kinder, die Verordnungen des Arztes, die Anmeldungen, die wirtſchaftlichen Verhältniſſe und notwendigen Anſchaffungen. Wir hatten fortan die große Freude, die Kinder, davon zwanzig in der Anſtalt waren, gut ge⸗ deihen zu ſehen. Aber dennoch entſtanden im Vorſtande Bedenken über den Fortbeſtand der Pflegeſtätte. Der Schatzmeiſter, Herr Gradenwitz, hatte darauf aufmerkſam gemacht, daß bei den geringen Mitteln des Vereins auf die Dauer ein ſo koſtſpieliger Apparat, wie die eine Pflege⸗ ſtätte für nur 20 Kinder, nicht erhalten werden könnte, da wir ja beab⸗ ſichtigten unſere Wirkſamkeit auszudehnen. Dazu kam, daß das Haus verkauft und dem Verein gekündigt wurde. 4. Die Auflöſung der Pflegeſtätte. Es war in den letzten Märztagen 1870. Der Frühling hatte ſeine Vorboten ins Land geſchickt, da war der Vorſtand zu ernſtem Zwecke in der Pflegeſtätte vereinigt. Ein Zug der Wehmut war auf allen Ge⸗ ſichtern, beſonders auf denen der Damen. Es galt die Pflegeſtätte aufzulöſen und ein anderes Prinzip zur Durchführung zu bringen, um zu dem erſtrebten Ziele zu gelangen. Der Vorſtand hatte bei der Kündigung der Pflegeſtätte den Be⸗ ſchluß gefaßt, die Kinder nicht mehr in einer Anſtalt zu verpflegen, ſondern ſie zu Ziehmüttern zu bringen, die unter der Aufſicht eines Arztes und einer Ehrenmutter zu ſtellen ſeien. Es wurde angenommen, daß das einzelne Kind in der Familie bei gegebenen Mitteln und für⸗ ſorglicher Aufſicht beſſer gedeihen könne, als Viele zuſammen und ob⸗ gleich wir das Haus noch bis zum Herbſt behalten konnten zogen wir es vor, es bereits zu Oſtern zu verlaſſen, um nicht die traurigen Er⸗ fahrungen des verfloſſenen Sommers ſich wiederholen zu ſehen. Kaum hatte ſich das Gerücht verbreitet, daß die Pflegeſtätte auf⸗ gegeben werde, ſo fanden ſich Familien, welche das Wohnhäuschen bis auf die kleinſten Räume abmieteten. Zuletzt kam auch ein ärmlich ge⸗ kleideter robuſter Arbeiter und bat, ihm mit ſeiner Familie ein Unter⸗ kommen zu gewähren, da er exmittirt worden ſei und mit ſeinen ſieben Kindern auf der Straße liege. Wir bedauerten, ſeinem Wunſche nicht willfahren zu können. Da rief er verzweifelt: „Sie haben ja einen Kuhſtall, der jetzt leer iſt, bitte, erbarmen Sie ſich und geben Sie uns dieſen Raum, ſonſt müſſen wir in das Aſyl für Obdachloſe.“ Wir willigten ein. Der Mann konnte nicht genug Worte des Dankes finden. 13 Während nun unſere zwanzig Kinder in ebenſo viele vorher gründ⸗ lich geprüfte und gut empfohlene Familien übergeführt wurden, zog die Arbeiterfamilie in unſeren Kuhſtall, der nun zur Pflegeſtätte für deren ſieben Kinder wurde. Als ich am anderen Morgen zuſehen wollte, wie die Leute ſich eingerichtet hatten, fand ich die Frau, eine ſympathiſche Erſcheinung, aber von ſchwächlichem Körperbau, an einem Waſchfaß, welches auf dem freien Platz vor dem Kuhſtall aufgeſtellt war. Eine Schar kleiner Kinder ſpielte im Sande, ein größeres Mädchen ſchälte Kartoffeln. Die Frau hielt in der Arbeit inne, um mich zu begrüßen und ihren Dank auszuſprechen und führte mich in den zum Wohnraum umgewandelten Kuhſtall. Erſtaunt blieb ich an der Schwelle ſtehen. Ein altes Sopha, einige Stühle, ein Tiſch, eine alte Kommode und ein Korb mit Kleidungsſtücken war Alles, was die Familie beſaß. Auf meine Frage, wie ſie denn die Kinder in der Nacht unterbringe, er⸗ zählte ſie, daß die drei Mädchen auf dem Sopha halb ſitzend ſchlafen müßten, zwei Knaben auf einer Streu an der Erde, ein Kind quer zu Füßen des Bettes, das ſie und ihren Mann aufnahm und die beiden Säuglinge in der Krippe (ſie hatte noch ein fremdes Kind in Pflege). Ich hatte vorher ſchon viel Armut geſehen, aber ein ſolches Bild des Elends und der Genügſamkeit war mir neu und ergriff mich aufs Tiefſte; ich ſorgte vor Allem dafür, daß die Kinder Betten erhielten. Das Häuschen und der Garten der ehemaligen ſind längſt ver⸗ ſchwunden, es hat einem ſtattlichen Mietshauſe Platz gemacht. — 5. Die Neugeſtaltung des Vereins. Mein Gedenkblatt ſollte zwar nur der Gründung des Kinder⸗ ſchutzvereins und dem Andenken an die erſte Pflegeſtätte gewidmet ſein, da ich vorausſetze, daß der jetzige Vorſtand eine Jubiläumsſchrift her⸗ ausgeben wird, in welcher er vom Beginn der Neugeſtaltung an aus⸗ führlich geſchichtlich und ſtatiſtiſch berichten wird. Allein einen kurzen Rückblick möchte ich noch auf das Jahr werfen, in welchem ſich die Umwandlung vollzog und in welchem ich dem Vorſtande noch angehörte. Unmittelbar aus der Pflegeſtätte wurden die Kindlein zwanzig Pflegemüttern übergeben. Jedes Kind erhielt eine Schutzdame, welche die Pflege, die Ernährung und das Gedeihen des Kindes zu beobachten hatte. Die Pflegemütter erhielten für das Kind eine kleine Ausſtattung und hinreichend Pflegegeld. Sie waren verpflichtet, die Kinder jede Woche an einem beſtimmten Tage in das Vereinsbureau zu bringen, wo der Arzt Dr. Löwenthal ſie wog und das zunehmende oder abnehmende Gewicht feſtſtellte. 14 In dem Vereinsbureau, welches ſich in der Friedrichſtraße befand, wurden auch regelmäßig Sitzungen des Vorſtandes und der Schutz⸗ damen abgehalten. Eine Verwalterin, welche die Bücher führte, der auch die Vorräte an Kleider und Wäſche anvertraut waren, nahm die Anmeldungen der Kinder entgegen, über deren Aufnahme und Unter⸗ bringung die täglich hospitirenden Vorſtandsdamen beſchloſſen. So hatte Alles ſeinen guten Fortgang. Nach der Kriegserklärung von 1870 beantragte ich ſofort, daß der Verein ſich beſonders der Säug⸗ linge und Kinder der Landwehrfrauen annehmen möge, damit die Mütter auf Erwerbsarbeit gehen könnten. Dies wurde auch angenommen und durchgeführt. Zur felben Zeit begann meine Thätigkeit für Verpflegung durch⸗ ziehender Truppen auf den Oſt⸗ und Niederſchleſiſch⸗Märkiſchen Bahn⸗ höfen und dieſe, wie meine Leitung der Volksküchen nahmen mich derart in Anſpruch, daß ich mich nicht mehr ſo ausſchließlich der Ueberwachung des Kinderſchutzvereins hingeben und die Sitzungen regelmäßig beſuchen konnte. Da ſich auch Herr Eiſenbahn⸗Direktor Lehmann, Frau von Arnim, Frau Julie Gerſon⸗Liebermann, Herr Rauſchning, Herr Theodor Goldſchmidt und Herr Herrmann Auguſtin zurückgezogen hatten, ſo wurde im Februar 1871 ein neuer Vorſtand gewählt. Ich legte mein Amt nieder; Herr van der Wyngaert, der auf meine Veranlaſſung ſchon früher in den Vorſtand gewählt worden war, übernahm den Vorſitz und führt ihn bis zum heutigen Tage, ſodaß ihm der Dank für vier⸗ undzwanzigjährige ausdauernde Wirkſamkeit gebührt. Die übrigen Vorſtandsmitglieder bei meinem Ausſcheiden waren: Frau Anna Neu⸗ mann, die mit ihrem Gatten ein Kapital für Freiſtellen dem Verein geſchenkt hat, Henriette Abarbanell, Frau Minna Seeger, Frau Eliſe Marſop, Frau Marie Richter und die Herren Dr. Löwenthal, Louis Gradenwitz, Adolf Schlegel, Guſtav Borchardt (ſpäter Stadtrath). Dieſer Vorſtand ernannte mich als Ehrenmitglied des Vereins, was ich jedoch im Hinblick auf das Statut ablehnte, weil eine ſolche Ernennung durch den Vorſtand nicht in demſelben vorgeſehen war, und daher nur auf deſſen Antrag in der nächſten Generalverſammlung hätte ausgeführt werden können. Ich widme dies Gedenkblatt dem Kinderſchutzverein, dem ich für ſein ferneres Beſtehen gedeihliche Ausdehnung ſeines Wirkens und die günſtigſten Erfolge für ſeine wohlthätigen Beſtre⸗ bungen wünſche. 15 Druck von H. S. Hermann in Berlin. 94.1685 S B B N12<120058361010